Im Porträt Judith Hermann bekommt Bremer Literaturpreis 2022
Standdatum: 24. Januar 2022.

Der Bremer Literaturpreis geht in diesem Jahr an die Schriftstellerin Judith Hermann. Die gebürtige Berlinerin bekommt diese Auszeichnung für ihren Roman "Daheim". Ihr eigenes Zuhause hat sie sich nach 50 Jahren Berlin in Friesland eingerichtet.
"Ich war ein lesendes Kind" – Judith Hermann
Den Bremer Literatur-Förderpreis bekam Judith Hermann schon 1999, für ihren Debüt-Erzählungsband "Sommerhaus, später". Damals hatte sie die wichtige Nachricht aber erst erreicht, als die Rudolf-Alexander-Schröder-Stiftung diese Entscheidung längst getroffen hatte: Der Anruf war auf ihrem Anrufbeantworter zu Hause in Berlin gelandet, während sie gerade für ein paar Tage an die Ostsee gefahren war. Dieses Mal war es anders: Als Judith Hermann im November 2021 erfuhr, dass sie möglicherweise 2022 den Hauptpreis bekommen würde, wartete sie sehnsüchtig auf den Anruf der Jury. "Dieses Mal kam der Anruf auf mein Mobilfunktelefon", schmunzelt sie.
Via Bremen nach Friesland
Judith Hermann hat eine sehr persönliche Verbindung zu Bremen. Ab und zu war sie als kleines Mädchen mit ihrer Großmutter in der Stadt unterwegs, vor allem, um Werke des Bremer Bildhauers Herbert Kubica anzuschauen, die unter anderem in den Bremer Wallanlagen stehen. "In Bremen gingen wir kleine Wege, die mit der Vergangenheit meiner Großmutter zu tun hatten." Außerdem war Bremen der Umsteigebahnhof, wenn die Oma mit der Enkelin nach Friesland fuhr, oder von dort wieder zurück nach Berlin.
Das ist ein Moment, der mich durchaus berührt hat: den Erstwohnsitz nach Friesland zu verlegen.
Judith Hermann nach 50 Jahren Berlin
In Friesland, bei Horumersiel, steht heute noch das Haus, in dem die Großmutter aufgewachsen war und in dem Judith Hermanns als Kind und Jugendliche viel Zeit verbrachte. Heute lebt die Schriftstellerin die meiste Zeit im Jahr ganz in der Nähe. Kurz vor Beginn der Pandemie traf sie eine wichtige Entscheidung: "Seit November 2019 bin ich auch in Friesland gemeldet. Das ist ein Moment, der mich durchaus berührt hat: Nach 50 Jahren eine Berlinerin zu sein, den Erstwohnsitz nach Friesland zu verlegen."
"Daheim": Ausgezeichnet für meisterhafte Sprache
Hier spielt auch ihr aktueller Roman "Daheim". Es ist die Geschichte einer Frau, die an die Küste kommt, um einfach nur weit weg von allem zu sein. Aber dann begegnen ihr Menschen, zu denen sie nach und nach intensive Beziehungen aufbaut. Freundschaft und Liebe spielen eine Rolle. Es geht um Ängste und Sehnsüchte, um das Ankommen und um die Frage, wo man eigentlich hingehört im Leben. "Bezeichnenderweise taucht das Wort 'Daheim' im ganzen Roman nicht einmal auf", erzählt Hermann. "Es ist eher wie ein utopistisches Wort oder wie ein Wort aus einem Märchen. Ein Wort für einen Ort, den es nicht gibt oder den es noch zu erreichen gilt."
Sessel sind eine ziemlich spezielle Angelegenheit, finde ich, die viel mit Ankommen und Daheim zu tun haben.
Judith Hermann über Ideen, was sie mit dem Preisgeld anstellen würde
Die 1970 in Berlin geborene Autorin schreibe mit einer "meisterhaften sprachlichen Verdichtung", begründet die Jury des Bremer Literaturpreises ihre Entscheidung, Hermanns Roman auszuzeichnen. Der Bremer Literaturpreis ist mit 25.000 Euro dotiert und soll am 24. Januar 2022 im Bremer Rathaus überreicht werden. Und vielleicht wird sich Judith Hermann mit dem Preisgeld zwei Sessel anschaffen, die sie immer an den Preis erinnern werden. "Sessel sind eine ziemlich spezielle Angelegenheit, finde ich, die viel mit Ankommen und Daheim zu tun haben", so Hermann. "Und diese würden in Friesland stehen."
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 24. Januar 2022, 18:05 Uhr