Im Porträt Selbstzweifel ade: Ilka Brühl fühlt sich schön
Standdatum: 27. April 2022.

Ilka Brühls Feind war jahrelang der Spiegel. Sie hatte Selbstzweifel, weil sie mit einer Nasen-Lippen-Spalte geboren wurde. Heute arbeitet sie als Model und will Schönheitsideale verändern.
Gesprächszeit "Mein Gesicht zu zeigen war schlimmer als mich nackt zu zeigen" – Ilka Brühl
"Schweinenase", "Alien", "Freak" – Ilka Brühl hat sich in ihrer Schulzeit einen Tarnumhang wie bei Harry Potter gewünscht. Einerseits war sie Opfer von Beleidigungen. Andererseits war sie die Einserschülerin, die gerne lernte und die beste Abiturnote ihres Jahrgangs erreichte. "Es war wie eine Art Doppelleben", sagt die 30-Jährige heute.
Gehänselt und gemobbt
Ilka Brühl kam mit einer Fehlbildung im Gesicht zur Welt: "Bei mir war es so, dass ich ab der Oberlippe bis zur Nase zwei Lippenhälften hatte", erklärt sie. Besonders als Jugendliche hatte sie deshalb Selbstzweifel. Wegen der Sprüche in der Schule, aber auch wegen der Werbung im Fernsehen. Die gesellschaftlichen Schönheitsideale hätten ihr vor Augen geführt, dass sie anders sei, erzählt Ilka Brühl: "Ich glaube, dass es daran liegt, dass ich mich selbst nirgends repräsentiert gefühlt habe."
Mein Gesicht zu zeigen war viel schlimmer als mich nackt zu zeigen.
Ilka Brühl über die Scham, ihr Gesicht zu zeigen
Heute sorgt die 30-Jährige selbst dafür, dass sich das ändert. Ilka Brühl arbeitet unter anderem als Model und hat ihre Selbstzweifel abgelegt. Über einen Bekannten in der Universität hat sie die Fotografie für sich entdeckt – und landete irgendwann selbst vor der Kamera, unter anderem auch als Nacktmodell. Ein entscheidender Moment in ihrem Leben, weil sie dadurch realisiert habe, dass sie schön sei: "Ich hatte vorher keine Bilder von mir, die ich mochte. Mein Gesicht zu zeigen war viel schlimmer als mich nackt zu zeigen. Durch die Fotos habe ich einen Zugang zu mir gefunden", sagt Ilka Brühl.
Mutmach-Podcasterin und Autorin
Ilka Brühl hat sich selbst Mut gemacht und will das heute auch für andere tun. Sie hat einen eigenen Podcast, in dem sie anderen von ihren Selbstzweifeln erzählt und Tipps gibt. Außerdem hat sie ihre persönliche Geschichte veröffentlicht: "Anders schön – wie ich lernte mich selbst zu lieben" heißt das Buch. Gleichzeitig will sie sich für andere gesellschaftliche Normen einsetzen: "Ich würde mir wünschen, dass man Aussehen überhaupt nicht mehr so großartig thematisiert."

Rückblickend hätte eine symmetrische Nase nichts daran geändert, dass sie sich mehr oder weniger geliebt hätte, sagt Ilka Brühl heute. Es gehe vielmehr um die Frage: Warum bin ich mit mir unzufrieden? "Ich bin heute ein ganz anderer Mensch", sagt die Autorin, die heute auch ihren Mitschülerinnen und Mitschülern von damals verziehen hat: "Ich würde alle Personen, die ich in meinem Leben kennengelernt habe, mit offenen Armen begrüßen."
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 27. April 2022, 18:05 Uhr