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Im Porträt Hans-Dietrich Genschers besondere Beziehung zu Bremen

Autorin

Hans-Dietrich Genscher
Starb 2016 im Alter von 89 Jahren: Hans-Dietrich Genscher Bild: DPA | Martin Meissner

Hans-Dietrich Genscher war 18 Jahre lang deutscher Außenminister – so lange wie sonst niemand. Der Jurist aus Halle an der Saale ermöglichte 1989 die Ausreise der in die Prager Botschaft geflüchteten DDR-Bürger und spielte damit eine große Rolle bei der Wiedervereinigung. Zu Bremen hatte er eine enge Beziehung: Hier war er Rechtsreferendar, trat in die FDP ein und heiratete. Am 21. März 2022 wäre er 95 Jahre alt geworden. 2012 hat er uns in der Gesprächzeit erzählt, was er an Bremen so schätzte.

Hans-Dietrich Genscher

"Ich kam in eine ur-liberale, weltoffene Stadt" – Hans-Dietrich Genscher

Für Jahrzehnte war Hans-Dietrich Genscher tonangebend als FDP- Parteivorsitzender, Vizekanzler und Außenminister. Am 21. März 2022 wäre er 95 Jahre alt geworden.

Bild: DPA | Martin Meissner

Hans-Dietrich Genscher wuchs in den 1930er Jahren in Halle auf, verlor schon als Achtjähriger den Vater und wurde noch als Jugendlicher in den Krieg eingezogen. Gleich nach 1945 studierte er Jura in Leipzig und Halle, verließ 1952 die DDR und zog ins Bremer Ostertorviertel. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Bremen zahlte den höchsten Unterhaltszuschuss für Referendare – netto 182 Mark. Aber: "Es zeigte sich, ich hatte mit Bremen nicht nur den Standort gewählt mit dem höchsten Unterhaltszuschuss, sondern ich kam in eine ur-liberale, weltoffene Stadt. Ich habe dort sehr viel Offenheit erfahren, sehr viel Zuwendung, was mir den Anfang erleichtert hat."

Das war eine schwierige Sache, das zu erklären. Das war medial für mich die schwierigste Zeit.

Hans-Dietrich Genscher über den Bruch der sozialliberalen Koalition 1982

Genscher arbeitete im Landgericht und in einer kleinen Kanzlei und wurde Mitglied bei den Bremer Jungliberalen. Bald folgte er dem Ruf der FDP-Bundestagsfraktion nach Bonn – und eine der längsten politischen Karrieren der Bonner Republik begann. Er startete 1969 als Innenminister in der Regierung von Willy Brandt. Nach dessen Rücktritt 1974 profilierte er sich als Außenminister im Kabinett von Helmut Schmidt mit Entspannungs- und Abrüstungspolitik. Dann die große innenpolitische Wende: Genscher zeichnete sich 1982 mitverantwortlich für den Bruch der sozialliberalen Koalition und für das Bündnis mit der CDU von Helmut Kohl. "Eine staatspolitisch notwendige Entscheidung, weil die SPD nicht mehr zur Politik ihres Bundeskanzlers Helmut Schmidt stand, wohl aber wir", erinnerte sich Hans-Dietrich Genscher. "Das war eine schwierige Sache, das zu erklären. Das war medial für mich die schwierigste Zeit."

Liebling der Karikaturisten

Diese einschneidende Wende der Liberalen stürzte die FDP in eine Krise und leitete die 16-jährige schwarz-gelbe Regierung Kohls ein – mit Genscher wieder als Außenminister und Vizekanzler. Unermüdlich war er unterwegs, schlief über Zeitzonen hinweg im Flugzeugsessel, überstand zahlreiche Krankheiten, war so allgegenwärtig in den Medien, dass man ihm die Fähigkeit nachsagt, er könne zeitgleich an zwei verschiedenen Orten sein. Mit seinen prägnanten Ohren lieferte er ein Lieblingsmotiv der Karikaturisten der Bonner Republik. Und als Michail Gorbatschow ab Mitte der 1980er Jahre in der Sowjetunion die Macht übernahm, zählte er zu den Ersten, die die Zeichen einer neuen Ära erkannten.

Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise...

Hans-Dietrich Genscher zu den DDR-Flüchtlingen in der Prager Botschaft 1989

Der Eintrag ins Geschichtsbuch war Hans-Dietrich Genscher, dem freundlichen und gewieften Taktierer mit dem weichen sächsischen Tonfall, also längst gewiss, als er am 30. September 1989 auf dem Balkon der deutschen Botschaft in Prag zu viertausend DDR-Bürgern sagte: "Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise..." Der Rest ging im Jubel der Botschaftsflüchtlinge unter. Einige Tage später kamen sie im Westen an, knappe sechs Wochen später fiel die Mauer – und ein Dreivierteljahr später war Deutschland geeint. "Niemand konnte sagen: 'Heute am 30. September, wenn die Botschaftstore sich öffnen, wird am 9. November die Mauer fallen'. Aber dass die Mauer einen schweren Schlag bekam – dass ihr Ewigkeitswert noch geringer sein würde – das war klar", so Genscher rückblickend.

Für Jahrzehnte war Hans-Dietrich Genscher tonangebend als FDP- Parteivorsitzender, als Vizekanzler in verschiedenen Koalitionen, als Innen- und Außenminister. Er warb für die Europäische Union nicht nur als Wirtschaftsunion, sondern auch als Werte- und Friedensgemeinschaft. Der FDP hielt er bis zum Schluss die Treue. Hans-Dietrich Genscher starb 2016 und wäre am 21. März 2022 95 Jahre alt geworden.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 21. März 2022, 18:05 Uhr