Im Porträt Günter Grass – bejubelt und bepöbelt

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Schriftsteller Günter Grass
Günter Grass starb 2017. In diesem Jahr wäre er 95 Jahre alt geworden. Bild: Imago | Sven Simon

Als Schriftsteller und Intellektueller nahm Günter Grass in der deutschen Nachkriegsgeschichte eine herausragende Rolle ein. Er war der Schöpfer von "Oskar Matzerath" aus der "Blechtrommel", Wahlkampf-Helfer von Willy Brandt und wurde 1999 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Am 16. Oktober wäre der Schriftsteller 95 Jahre alt geworden.

Schriftsteller Günter Grass

"Ich bin nicht mundtot zu machen" – Günter Grass

Günter Grass war Schöpfer der "Blechtrommel", Wahlkampf-Helfer von Willy Brandt und Nobelpreis-Träger. Sein Verhältnis zu den Deutschen aber war konfliktreich.

Bild: Imago | Sven Simon

Das Verhältnis zwischen Günter Grass und seinen Landsleuten war konfliktreich. Wie kein anderer hat Grass politische und kulturelle Debatten angestoßen und den Deutschen den Spiegel vorgehalten. Er nahm sich das Recht, politisch zur urteilen – und wurde dafür geliebt und gehasst, bepöbelt und bejubelt.

Literarisches Debüt in der Nachkriegszeit

Günter Grass debütierte 1958 literarisch mit der "Blechtrommel". Die Geschichte von Trommler "Oskar Matzerath", der als Kind beschließt, nicht mehr zu wachsen, begeisterte die Autorenrunde "Gruppe 47" und schließlich die deutsche Kulturlandschaft. Es folgten die Novelle "Katz und Maus", der Roman "Der Butt" sowie unzählige Gedichte, Erzählungen und Theaterstücke.

Also meine Generation, wir sind gebrannte Kinder.

Günter Grass über die Nachwirkungen des Nationalsozialismus'

Seit den fünfziger Jahren hatte sich Grass immer wieder mit der jungen, deutschen Bundesrepublik auseinandergesetzt. Besonders die Nachwirkungen des Nationalsozialismus' beschäftigten den Autoren mit dem markanten Oberlippenbart: "Also meine Generation, wir sind gebrannte Kinder. Wir sind aufgewachsen in der Zeit des Nationalsozialismus'", erzählte Grass 2007 in einem Gespräch mit Radio Bremen. "Was mich betraf: ich war begeistert dabei, bei Jungvolk und Hitlerjugend. Ich habe mich mit 15 Jahren aus der Heldenverehrung, die im Gange war, sogar freiwillig zur U-Boot-Waffe gemeldet, wurde aber nicht angenommen."

Sturm der Entrüstung über Waffen-SS-Mitgliedschaft

Dass er mit 17 Jahren noch Mitglied der Waffen-SS geworden war, hatte Günter Grass jahrzehntelang verschwiegen. Erst in seinem Buch "Beim Häuten der Zwiebel" machte er 2006 seinen Kontakt mit der Waffen-SS öffentlich und löste damit einen Sturm der Entrüstung aus. Die kontroverse öffentliche Debatte um seine Person setzte ihm zu: "Ich war dankbar und froh, dass ich in der Lage war, als dieses Ausmaß an Niedertracht und Häme und bewusst am Buch vorbei geführte Polemik und Kampagne über mich einbrach, weiter zu schreiben und zu zeichnen. Das hat mir geholfen. Aber sicher war auch hilfreich der Zuspruch von Kollegen, von vielen Lesern."

Streitbarer Freund von Willy Brandt

Auch in der "Gruppe 47", der Grass angehörte, stand er stets im Zentrum der Kontroversen. Einerseits galt er als avantgardistisch, andererseits als relativ konservativer an der SPD orientierter Intellektueller. 1961 begann er, sich für Willy Brandt zu engagieren. Der kandidierte zum ersten Mal bei der Bundestagswahl und wurde von Adenauer als Emigrant und uneheliches Kind diffamiert: "Das hat mich mit dazu angestiftet, aus der bloßen Protesthaltung heraus, direkt aktiv zu werden zugunsten der Sozialdemokraten", erzählte Günter Grass 2007 bei Radio Bremen.

Für mich war es leider ein zwingender Grund, aus der SPD auszutreten.

Grass über den sogenannten "Asylkompromiss" Anfang der neunziger Jahre

1982 wurde er SPD-Parteimitglied, trat aber 1993 aus Protest gegen den "Asylkompromiss", die Neuregelung des Asylrechts, wieder aus: "Für mich war es leider – ich habe das sehr bedauert – ein zwingender Grund, aus der SPD auszutreten (…) Die Sozialdemokraten haben sich ohne jede Not von Traditionen getrennt, die ihre Substanz ausmachen", sagte er Grass 2007 rückblickend. Auch zur deutsch-deutschen Wiedervereinigung 1989, fand er meinungsstarke Worte: "Ich war der Meinung, dass das übereilt und ohne Respekt gegenüber den oft beschädigten Biografien der Ostdeutschen über die Bühne ging."

Ich bin nicht mundtot zu machen.

Günter Grass über seinen Antrieb, bis zum Schluss zu schreiben

Grass war selbst ein Kind aus dem Osten. Geboren in Danzig, wuchs er als Sohn von Kolonialwarenhändlern auf. Am Ende des Zweiten Weltkrieges geriet er in US-amerikanische Gefangenschaft und studierte dann in den Nachkriegsjahren Grafik und Bildhauerei an der Düsseldorfer Kunstakademie und an der Hochschule für Künste in Berlin. Mit Zeichnungen, Gedichten, Grafiken und Kunstausstellungen machte er Zeit seines Lebens von sich reden. 1999 erhielt er den Nobelpreis für Literatur für sein Lebenswerk. Bis ins hohe Alter hat sich Grass als "Schreib-Arbeiter" verstanden und blieb schriftstellerisch tätig. "Ich bin nicht mundtot zu machen", resümierte er stets.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 14. Oktober 2022, 18:05 Uhr

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