Neuer Podcast Ausgebrannt: der Traum von sauberer und nachhaltiger Energie
Standdatum: 4. April 2022.

Der Ausbau von erneuerbaren Energieträgern wie Windrädern oder Solaranlagen stockt in Deutschland seit Jahren. Nun der Wendepunkt: Bis 2030 sollen 80 Prozent unserer Energie aus diesen Quellen kommen und fossile Brennstoffe ersetzen. Damit soll deutscher Strom nicht nur sauberer, sondern auch unabhängiger werden. Mit dem sogenannten Osterpaket will die Bundesregierung die Weichen dafür stellen – und der Nordwesten kann bei der Umsetzung eine entscheidende Rolle spielen.
Schwerpunkt Ausgebrannt: Der Traum von sauberer und nachhaltiger Energie
Ende Februar 2022 hat sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in einer Videobotschaft an die Bevölkerung gewandt. Der Grünen-Politiker sprach über den Angriffskrieg in der Ukraine, über die verheerenden Folgen für die Menschen vor Ort, aber auch darüber, dass Deutschland sich in den vergangenen Jahren immer mehr von russischen Gasexporten abhängig gemacht hat. Konkret geht es dabei um mehr als die Hälfte der Gasimporte – und damit ist Deutschland nicht nur von Russland, sondern auch von fossilen Brennstoffen abhängig. "Rückblickend war das ein großer strategischer Fehler", erklärte Habeck, "Einer, den wir jetzt schnellstmöglich wieder gut machen müssen. Schnell heißt aber auch, dass wir ein bisschen Zeit brauchen."
So viel Zeit bleibt aber nicht. Zumindest nicht, wenn Robert Habeck die eigenen Ziele einhält, die er zu Jahresbeginn verkündet hat. In den kommenden Wochen entscheiden erst das Bundeskabinett und dann der Bundestag über ein Maßnahmenpaket, mit dem bis 2030 80 Prozent der deutschen Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen kommen sollen; bis 2045 will die Bundesrepublik klimaneutral sein. Das sogenannte "Osterpaket" beinhaltet Gesetze für den Windkraftausbau an Land und zur See, genauso wie ein Solarbeschleunigungspaket.
Vorreiter Nordwesten

Bremen und Niedersachen wollen die Wende mitgestalten. In beiden Bundesländern sollen in den kommenden Jahren mehr Windräder gebaut und mehr Solaranlagen installiert werden. Teilweise soll die Leistung und damit die Stromversorgung aus diesen Quellen verdoppelt werden. Nach Angaben des Landesverbandes Erneuerbare Energien Niedersachsen/Bremen gibt es in beiden Bundesländern viel Potenzial, um diese Ziele auch zu erreichen. Es müsse aber auch mit der neuen Gesetzgebung nachgeholfen werden, so Verbandssprecherin Bärbel Heidebroek.
Aktuell ist zum Beispiel in Niedersachsen 1,8 Prozent der Landesfläche mit Windrädern bebaut – nur die Hälfte davon liege aber in sogenannten Vorranggebieten. Das heißt, Windräder außerhalb der Vorranggebiete dürfen in ein paar Jahren nicht generalüberholt werden. Dann könnte also die Hälfte der gebauten Windräder vom Netz genommen werden; vom Ausbauziel von zwei Prozent der Landesfläche sei Niedersachsen damit dann sehr weit entfernt, sagt Heidebroek.
Die Grundlagen sind da. Wenn wir jetzt das Potenzial nutzen, können wir aus dem Norden heraus viel zur Energiewende beitragen.
Heide Winkler, Chefin des Branchennetzwerks Windenergie
Mit der neuen Gesetzgebung erhoffen sich auch die Unternehmen in der Region mehr Sicherheit: Nachdem die Ausbauziele gerade für die Windkraft im Jahr 2014 massiv gedrosselt wurden, mussten zahlreiche Firmen Insolvenz anmelden. Trotzdem ist der Nordwesten weiterhin ein wichtiger Windkraftstandort. Die verbliebenen Firmen beliefern lediglich keine deutschen Kunden mehr.

Siemens Gamesa in Cuxhaven beispielsweise produziert seit Jahresbeginn eine 11-Megawatt-Turbine in Serie – die größte Offshore-Turbine der Welt. "Der größte Anteil der Anlagen geht nicht nach Deutschland", erklärt der Werksleiter Kristoffer Mordhorst. Mit den neuen Ausbauzielen komme Deutschland jetzt aus einem Loch heraus – allerdings sind die Auftragsbücher des Konzerns für die kommenden Jahre gut gefüllt. Deswegen seien Robert Habecks Ausbauziele ambitioniert. "Alleine für uns wären das über 1.000 Anlagen, abhängig davon, welche Größe man installieren würde", sagt Mordhorst. "Das würde diesen Standort für mehrere Jahre auslasten."
Auch andere Firmen in der Region wollen den Ausbau mitgestalten – und brauchen dafür Planungssicherheit. Dazu gehören auch die Mitglieder des Branchennetzwerks für die Windenergie, des WAB, mit Sitz in Bremerhaven. Die Verbandschefin Heike Winkler hofft, dass das Osterpaket nur ein Startschuss für mehr Investitionen für die Windkraftbranche in Deutschland ist. "Das ist ein Gemeinschaftsprojekt, da ist die Forschung wichtig, da ist die Qualifizierung wichtig, da sind die Mitarbeiter wichtig auf allen Ebenen", sagt Winkler. Der Fachkräftemangel sei durch den Einbruch der Ausbauziele vor einigen Jahren gravierend. Doch sie sagt auch: "Die Grundlagen sind da. Wenn wir jetzt das Potenzial nutzen, können wir aus dem Norden heraus viel zur Energiewende beitragen."
Es gibt in Bremen viele Flächen, die danach schreien, mit Photovoltaik-Modulen belegt zu werden.
Martin Grocholl, Geschäftsführer der Bremer Klimaschutzagentur "Energiekonsens"

Gerade in Städten wie Bremen gibt es außerdem erhebliches Ausbaupotenzial für Solaranlagen. "Man braucht eigentlich nur aus dem Fenster zu gucken aus einem höheren Gebäude, da sieht man, wo überall freie Flächen sind. Da gibt es viele Flächen, die danach schreien, mit Photovoltaik-Modulen belegt zu werden", sagt Ökonom Martin Grocholl, Geschäftsführer der Bremer Klimaschutzagentur "Energiekonsens". Wenn Bremen nur 20 Prozent seines Dachpotenzials ausschöpfe, könne nahezu die Leistung des ehemaligen Kohlekraftwerks am Hafen erreicht werden.
Nicht nur die Klimaschutzagentur sieht in diesem Zweig der erneuerbaren Energien großes Potenzial. "In der Solarenergie möchte man die wirklich größten Sprünge machen: Von heute etwas über 50 Gigawatt auf 200 Gigawatt bis 2030", erklärt Ökonom Andreas Löschel. Er sagt, der Solarenergieausbau sei im Gegensatz zur Windkraft schneller und günstiger umsetzbar, außerdem sei die Akzeptanz in der Bevölkerung viel höher.
Das ist am Rande dessen, was man sich augenblicklich vorstellen kann.
Ökonom Andreas Löschel über die Ausbauziele der Bundesregierung
Trotzdem seien Robert Habecks Ziele sehr ambitioniert: "Das ist am Rande dessen, was man sich augenblicklich vorstellen kann", sagt Andreas Löschel. Gleichzeitig müsse auch die Energieeffizienz gesteigert werden – werde weniger Energie verbraucht, wirke sich das auch auf das Erreichen der Ausbauziele aus. Es sei aber auch klar, dass die Energiewende ganz zentral daran hänge, dass Deutschland diese Ziele auch tatsächlich erreiche. Dabei spielen die Küstenregionen wie Niedersachsen und Bremen aus seiner Sicht eine zentrale Rolle: "Da wird in Zukunft tatsächlich von abhängen, wie gut die Energiewende vorankommt."
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 6. April 2022, 8:10h.