Im Porträt Die Paralympics im Visier: Sportschützin Elke Seeliger
Standdatum: 27. Juli 2021.

Elke Seeliger aus Weyhe gehört zum "Team Deutschland" für die Paralympics in Tokio. Ins Finale – also unter die letzten Acht – will die Rollstuhlfahrerin, die linksseitig gelähmt ist, kommen. Ihre Disziplin ist der "Dreistellungskampf" im Kleinkaliberschießen.
Gesprächszeit "Ohne Knall kann ich nicht" – Elke Seeliger
Die erste Waffe hielt Elke Seeliger als 15-Jährige in der Hand. Ihr Vater war im Schützenverein und sie fand die Uniformen spannend. Nur drei Jahre später fing sie an mit dem Pistolenschießen und hatte schon ein erstes Ziel vor Augen: "Ich wollte mal zur Deutschen Meisterschaft – und dafür hat man alles gegeben".
Mein linker Arm funktioniert noch, aber nicht mehr so wie er soll.
Elke Seeliger über ihre linksseitige Lähmung
Doch ihren Weg als "Fußgängerin" im Sportschießen konnte Seeliger irgendwann nicht mehr weitergehen. Denn Elke Seeliger ist linksseitig gelähmt, weil sie an Syringomyelie erkrankt ist, einer Erkrankung des Rückenmarks, bei der einige Nerven abgedrückt werden. "Mein linker Arm funktioniert noch, aber nicht mehr so wie er soll", beschreibt Seeliger ihre Behinderung.
2013, mit 41 Jahren, fing alles mit einem Taubheitsgefühl im Fuß an – ein halbes Jahr später saß sie schon im Rollstuhl. Doch heute gehört sie zu den besten Sportschützinnen Deutschlands, war bei den Paralympics in Rio de Janeiro und in Sydney bei den Weltmeisterschaften dabei. Elke Seeliger hat die Anforderungen an ihre Sportart auch im Rollstuhlt perfektioniert: "Man muss sich wahnsinnig konzentrieren können, runterfahren, um den Körper in Einklang zu bekommen. Man muss alles auf den Punkt bringen." Aber als Sportschützin ist Seeliger eben auch direkt für ihren eigenen Misserfolg verantwortlich, wenn die Hand zittert und es mal überhaupt nicht klappen will. Sich hinter einem Team zu verstecken, ist beim Schießen nicht möglich, weiß die 48-Jährige: "Man kämpft für sich alleine."
Königsdisziplin bei den Paralympics in Tokio

Bei den Paralympics ab Ende August 2021 in Tokio tritt Elke Seeliger mit dem großen Gewehr in der Disziplin "Kleinkaliberschießen" an: "Ich schieße da die Königsdisziplin, wie man so schön sagt. Das ist der Dreistellungskampf – und Dreistellungskampf heißt kniend, stehend und liegend." Und das geht auch mit dem Rollstuhl, der Seeligers täglicher Begleiter ist. Je nach Behinderung werden die Sportlerinnen und Sportler in bestimmte Klassen eingeteilt und dürfen Hilfsmittel wie zum Beispiel eine Lehne für den Arm benutzen.
Viele Vereine wissen nicht, wie man mit den Leuten aus dem Rollstuhl umgehen soll.
Elke Seeliger über Defizite der Sportvereine bei der Inklusion von Menschen mit Behinderung
Schießen ist keine Trendsportart und Menschen mit Behinderungen trifft man nur sehr selten in den Vereinen an, erzählt Seeliger, wenn sie über ihre Erfahrungen in den letzten Jahren als Behindertensportlerin spricht: "Viele trauen sich da gar nicht erst ran und viele Vereine wissen nicht, wie man mit den Leuten aus dem Rollstuhl umgehen soll." Sie selbst habe "wahnsinnig Glück" gehabt, sagt Seeliger; Sie kannte jemanden beim Oldenburger SV Etzhorn, der ihr half, die notwendigen Papiere zu besorgen, um weiter bei nationalen und internationen Wettkämpfen teilnehmen zu können.
Die paralympischen Spiele in Tokio sollen nun Elke Seeligers internationale Karriere krönen. Unter die letzten Acht, also ins Finale, zu kommen, – das ist das große Ziel. Es ist ihr letzter internationaler Wettkampf, sagt sie, denn "man muss sehr viel entbehren, die Familie muss drunter leiden manches Mal – dann sollen die Jüngeren mal nachrücken." Doch ganz beseite wird Seeliger ihr Gewehr nicht legen. In ihrem Stammverein in Stuhr will sie weiterschießen und vielleicht auch ihren Trainerschein machen, um anderen Menschen mit Handicap helfen zu können: "Ganz ohne Knall kann ich nicht."
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 27. Juli 2021, 18:05 Uhr