Neue Alben Mutig den eigenen Weg gehen
Standdatum: 16. September 2022.
Sie ist eine der allergrößten Talente der alternativen US-Songwriting-Szene: Madison Cunningham. Ihre Musik ist ein mutiger Ausdruck von Individualität mit ungewöhnlichen Ideen und Sounds. Außerdem: Neue Musik von der britischen Trompeterin Alison Balsom und Turin Brakes mit einer optimistischen Message. Die Alben der Woche präsentiert von Christine Heuck, Sophia Fischer und Harald Mönkedieck.
1 Ein starker Drang nach Eigenständigkeit

Madison Cunningham ist Jahrgang 1996 und gilt seit ihrem Album-Debut 2019 als eines der allergrößten Talente der alternativen US-Songwriter-Szene. Die Südkalifornierin hat dabei nicht vor, es ihrem Publikum allzu leicht zu machen. Ihre Musik kann sperrig und kompliziert klingen. Aber wer dennoch in sie eintauchen möchte, der wird belohnt. "Revealer" heißt das neue Album der jungen Frau aus Los Angeles.
Wie klingt's?
Für ihre bisherigen Veröffentlichungen gab es Grammy-Nominierungen in den Abteilungen "Americana" und "Folk". Doch mit Schubladendenken kommt man nicht weiter, wenn es um Cunningham geht. Ihr Stil als Gitarristin ist nicht geprägt von Rock- und Pop-Konventionen, sondern mehr von eigenen Ansätzen sowie Einflüssen aus Afropop und Latin-Spielarten. Stimme und Melodie bleiben erst nach mehrmaligem Hören bei einem, dann aber richtig. Und immer wieder gibt es eine Finesse, die von einem starken Drang nach Eigenständigkeit kündet.
Warum hören?
Eine E-Gitarre mit ungewöhnlichem Flow, ein Song im Dreier-Takt sowie eine ganz eigene Anmutung des Ganzen. Schon wenige Sekunden des neuen Albums reichen um zu merken: Hier wird frisch neue Musik als Ausdruck von Individualität präsentiert. Mit ungewöhnlichen Ideen und einer Musikerin, die mutig ihr eigenes Ding macht. Wie einst Kate Bush oder Fiona Apple. Auch Madison Cunningham ist solch ein besonderes Talent.
Sounds Madison Cunningham: "Revealer"
2 Eine großartige Trompeterin

Die britische Trompeterin Alison Balsom macht sich seit mittlerweile zwei Jahrzenten einen Namen als großartige Solistin, spielt mit herausragenden Orchestern und hat zahlreiche Alben mit überwiegend klassischem Repertoire veröffentlicht. Mit ihrer aktuellen Platte schlägt sie einen etwas anderen Weg ein. Gemeinsam mit dem Ensemble "Britten Sinfonia" widmet sie sich unter der Leitung von Scott Stroman Kompositionen, die nicht selten Klassik und Jazz zusammenbringen. Benannt ist das Album nach einem Stück, in das sich Alison Balsom schon als Teenager verliebte und das ihr früh die eigenen Ausdrucksmöglichkeiten an der Trompete vor Augen führte: "Quiet City" von Aaron Copland.
Wie klingt's?
Es ist extrem facettenreich. Mal klingt es nostalgisch und beinahe schwebend, während es im nächsten Moment den großen Orchester-Sound zelebriert und förmlich übersprudelt. Dabei erkundet die Trompeterin Stück für Stück die US-amerikanische Musikwelt des 20. Jahrhunderts – eine inspirierte Zeit, in der sich Stile vermischten und der Jazz einen Höhenflug antrat. Alison Balsom stellt hier klassische Werke, wie "The Unanswered Question" von Charles Ives, neben für sie ungewöhnliches Jazz-Repertoire und zollt nicht zuletzt dem großen Jazz-Trompeter Miles Davis ihren Tribut.
Warum hören?
Neben ihrem überzeugenden Spiel zeichnet sich Alison Balsom durch ihre musikalische Offenheit aus. Obwohl sie in der Klassik verwurzelt ist, bewegt sie sich gekonnt im für sie untypischen Jazz und inspiriert durch ihren respektvollen Umgang mit unterschiedlichen Stilen und der Neugierde auf immer neue Facetten an der Trompete.
Alison Balsom: "Quiet City"
3 Schlechte Dinge bleiben nicht für immer

Turin Brakes haben ihr neues Album "Wide-eyed nowhere" veröffentlicht. Was es besonders spannend macht: Jedes ihrer Alben, sagen sie, ist ein Portrait, eine Momentaufnahme der individuellen Lebenswirklichkeiten der Bandmitglieder. Ihre Gedanken, ihre Erfahrungen, ihre momentanen Ansichten – all das fließt ein.
Wie klingt's?
Dieses Album ist kein Corona- Baby. Es wurde komplett vor der Pandemie geschrieben. Die Texte handeln von Liebe, von zerbrochener Liebe, vom freien Fall und vom neuen Boden unter den Füßen. Und auch von einer Welt, die einem zunehmend Angst und Bange machen kann. Die Songs sind klanglich, aber nicht im tiefem Jammertal der globalen und zwischenmenschlichen Missstände der letzten Jahre versunken, sondern haben – bei aller Melancholie – Optimismus als Basis.
Warum hören?
Das, was Turin Brakes seit jeher machen, Folk-Pop, tun sie hier auf einer Ebene, die noch gelöster erscheint, noch freier und noch angereicherter mit musikalischen Zutaten, die das Ohr vielleicht nicht einordnen, das Herz aber fühlen kann. Und auch eine neue Herangehensweise der Band in Punkto Songwriting hat zu diesem Klangbild beigetragen: Man muss kein akut schreiendes, dunkles Inneres haben, um tiefe Songs schreiben zu können. Manchmal ist Abstand sogar von Vorteil. Realistisches Denken auch: Schlechte Dinge bleiben nicht für immer.
Turin Brakes: "Wide-Eyed Nowhere"
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 16. September 2022, 09:38 Uhr