Neue Alben Musik über das Gefühl, am richtigen Ort zu sein
Standdatum: 19. August 2022.
Die iranische Komponistin Aftab Darvishi über ihr neues Verständnis von "Heimat". Außerdem: Die Band Del Amitri mit beständigen Sounds und Gretchen Peters über die Empathie in der Krise. Die Alben der Woche präsentiert von Sophia Fischer, Till Lorenzen und Harald Mönkedieck.
1 "Zuhause ist nicht immer dort, wo man lebt"

"30M Records" – dieses Hamburger Musiklabel will Talente aus dem Iran mit einem internationalen Publikum zusammenbringen. Im Fokus stehen dabei Künstlerinnen und Künstler, die die Musiktradition des Landes mit gegenwärtiger iranischer Musik verbinden. Kürzlich ist auf dem Label ein Album erschienen, das diesen Stilmix sogar noch erweitert. Die iranische Komponistin Aftab Darvishi verbindet in ihrer Musik Einflüsse aus ihrem Heimatland mit einer westlichen klassischen Ausbildung. "A Thousand Butterflies" heißt ihr Debütalbum.
Wie klingt's?
Mit jedem Stück gibt Aftab Darvishi Einblicke in ihr Leben. Sie hat ihr Zuhause vor über zehn Jahren eine Zeit lang verlassen. Sie wollte Komposition studieren und ging dafür nach Amsterdam. Ihr Verständnis von "Heimat" hat sich seitdem verändert: Zuhause sei nicht immer dort, wo man lebt, sagt sie. Es sei das Gefühl am richtigen Ort zu sein. In der Musik fand Aftab Darvishi schon früh einen Platz. Als Kind lernte sie die Geige zu spielen und studierte schließlich Klavier an der Universität Teheran. Dann folgte der Umzug in die Niederlande. Heute ist die Komponistin Mitte 30 und verknüpft ihre westlich geprägte Ausbildung mit persischer Musiktradition. Der freie Umgang mit unterschiedlichen Instrumenten zieht sich durch das gesamte Album: Da ist die Live-Aufnahme eines Saxophon-Quartetts, dann ein Stück für Klavier und Klarinette und schließlich sphärische Elektronik.
Warum hören?
Trotz der unterschiedlichen Besetzungen gelingt es Aftab Darvishi eine einheitliche, emotionale Stimmung zu erzeugen. Sie denke beim Komponieren nicht über den Stil nach, sagt sie. Ihre Herangehensweise sei nicht so logisch, eher instinktiv. Genau das macht das Debütalbum so überzeugend: Aftab Darvishi schöpft aus ihrer persönlichen, reichhaltigen Erfahrungswelt. Dass sich dabei westliche Ansätze mit Einflüssen aus dem Iran vermischen, ist nur natürlich.
Aftab Darvishi: "A Thousand Butterflies"
2 Beständiger Sound

Es gibt Bands, die haben eine Klangformel gefunden, die irgendwie nicht alt zu werden scheint. Die schottische Band Del Amitri ist so eine. Eigentlich haben die Musiker aus Glasgow nie viel am Sound verändert: leichte Melodien á la Beatles, ein bisschen kalifornischen Folk und ein bisschen Alternative Rock – und das funktioniert seit Ende der achtziger Jahre. Im September kommt die Band nach Deutschland. Mit im Gepäck haben sie ein neues Album mit Songs, die beinahe nicht das Licht der Welt erblickt hätten.
Wie klingt's?
Die Del Amitri-Köpfe Justin Currie und Ian Harvey scheinen mit fast 60 Jahren in eine Art kreativen Jungbrunnen gestiegen zu sein. Wie schon zuletzt auf dem "A-Seiten"-Album "Fatal Mistakes" enthalten auch die B-Seiten großartige Melodien, mal nachdenklich, mal fordernd, nach vorne rockend, dann wieder lässig und groovy. Und auch Balladen liegen der Band weiterhin.
Warum hören?
Del Amitri hatten sichtlich Spaß nach so vielen Jahren wieder Songs aufzunehmen. Und auch wenn nicht jede der nun veröffentlichten B-Seiten so richtig zündet, ist das Album "Fatal Mistakes – Outtakes and B Sides" ein lohnender Einblick in das bunte klangliche Spektrum der Band.
Del Amitri: "Fatal Mistakes – Outtakes and B Sides"
3 Songs, die Herzen erreichen

Wenn es um die Songs der Amerikanerin Gretchen Peters geht, dann gibt es unter Expertinnen und Experten nur eine Meinung: Diese Frau ist eine Meisterin ihres Faches. Seit vielen Jahren arbeitet die in New York geborene Songwriterin in Nashville. Sie schrieb Hits für andere, doch am besten ist Gretchen Peters in Eigenregie. Jetzt erscheint ihr erstes Live-Album: "The Show - Live From The UK".
Wie klingt's?
Mit einer Ballade eröffnet Peters ihr erstes Live-Album. Der Song "Arguing With Ghosts" ist dabei mehr als nur ein nachdenkliches Statement zum Thema "Alter". Er steht für die Methodik der Songwriterin Peters. Sie schreibt Songs als Charakterstudien, blickt in Innenwelten. Das Ziel dabei: Herzen zu erreichen, Empathie zu fördern. "Denn der geht es nicht gut, nicht nur in Amerika. Wir sind in einer Krise der Empathie", sagt Peters. Sie setzt ihre Songs dagegen. Kluge und sensible Songs der Herzensbildung. Gretchen Peters hat in Europa viele Fans im Vereinigten Königreich. Ihr Live-Album enthält daher Aufnahmen von Konzerten auf der Insel – mit einem Streichquartett als zusätzlicher Klangfarbe.
Warum hören?
"Schreiben ist nicht Selbstdarstellung, sondern Selbstfindung", sagt die Songwriterin. Bleibt zu hoffen, dass auch hierzulande noch mehr Menschen diesen Schatz für sich entdecken. Dieses Live-Album stellt einige der besten Songs aus dreißig Karrierejahren vor. Sorgfältig produziert und feinfühlig arrangiert.
Gretchen Peters: "The Show - Live From The UK"
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 19. August, 10:40 Uhr