Die Morgenandacht Die Katzenpfote auf dem Klosterboden

Morgenandacht

Die Morgenandacht Die Katzenpfote auf dem Klosterboden

Ein Kloster ist für die meisten Menschen eine fremde und doch faszinierende Welt. Der Weg durch einen Kreuzgang, in Gedanken oder real, kann einen für einige Minuten aus dem Alltag herausheben in eine andere Wirklichkeit.

Bild: Radio Bremen

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Ein warmer Sommertag im Jahr 1350. Die Baustelle für das neue Kloster liegt verlassen in der Mittagsonne. Zu heiß zum arbeiten. m Morgen hatten die Bauleute Ton ausgehoben und Ziegel daraus gestrichen. Nun lagen die Ziegel zum Trocknen in der Sonne. Es hat wohl niemand hingesehen, als die Katze gelaufen kam und quer über die frischen, weichen Ziegel stapfte. Niemand hat die Spur gelöscht. Sie trocknete. Der Ziegel wurde mit den hundert anderen gebrannt und im Altarraum der Kirche verlegt. Die Katzenpfote blieb sichtbar.

Bis heute kann man sie sehen in der Klosterkirche Isenhagen. In einem Winkel hinter dem Altar. Isenhagen, das ist ein kleiner Ort am Südrand der Heide, in der Nähe von Celle. Ich liebe ihn. Er erzählt Geschichten aus längst vergangener Zeit. So wie die von der vorwitzigen Katze. Als Kind bekam ich die Katzenpfote in der Klosterkirche gezeigt und habe wieder und wieder in Gedanken die Jahrhunderte übersprungen und dabei die Katze vor mir gesehen. Ein sehr lebendiger Hauch der Geschichte weht mich noch heute an, wenn ich in dieser Kirche bin. Vielleicht gibt es noch mehr, was hier aus alten Zeiten lebt.

Ich mag den Gedanken, dass die Gebete und Lieder der Nonnen noch immer in den Steinen wohnen. Dass auch diese Frauen ihre Spuren hinterlassen haben. Unsichtbar fürs Auge, aber hörbar für die Seele, wenn sie lauscht. Da höre ich ihre Schritte in den Gängen, ich höre Seufzer und Lachen und immer wieder ihr Singen. Ich folge ihrer Spur. Was für Worte sind es, die da in den Steinen wohnen? Vielleicht diese: "Meine Seele erhebt den Herrn und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes." Das sind Worte aus dem Lobgesang der Maria. Er gehörte ins Abendgebet der Klöster. Es war eine tägliche Übung: die Seele wecken, den Geist heraus heben aus der Enge und Last des Tages.

Vor 650 Jahren wurde die Kirche gebaut. Seither haben so viele Menschen dort gebetet. Vor Gott getragen, was kein anderer sehen durfte. Ihm eine Not ausgebreitet, die sonst niemand verstand. So viele haben hier nach Gott gesucht. Bis heute zieht sich die Spur aus Gebeten und Liedern. Unsichtbar ist die Kette der Menschen, die Glauben weiterreichen von Ohr zu Ohr. Sie ist unsichtbar, aber es gibt sie und das Kloster erzählt von ihr.

Autor/Autorin

  • Inge Kuschnerus

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