Die Morgenandacht Kaffee mit Frau Lorentz

Morgenandacht

Die Morgenandacht Kaffee mit Frau Lorentz

Pastorin Ragna Miller erinnert sich an den Tag, an dem sie mit Frau Lorentz Kaffeetrinken ging und an dem Gott die Welt regierte. Es war ein Mittwoch im Juni…

Bild: Radio Bremen

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Der Tag, an dem Gott die Welt regierte, war ein Mittwoch im Juni. Kurz nach Pfingsten. Ich bemerkte seine Regentschaft so ungefähr um 15.30 Uhr. Zuvor war die Veränderung irgendwie an mir vorbeigegangen. So ist das manchmal im Frühsommer.

Ich hatte es ganz gemütlich auf dem Sofa. Dann klingelte es an der Tür. Frau Lorentz lud mich zum Kaffee ein. Auf die Stufen vor dem Haus. Das war seit Wochen nicht mehr vorgekommen, was eigentlich schade ist. An diesem Mittwoch gegen 15.30 Uhr saßen wir also auf den Treppenstufen und unterhielten uns. Sie weinte, weil sie so viel Arbeit hat. Ich fand die richtigen Worte, um sie zu trösten. Es war schön. Wir hatten beide nicht das Bedürfnis, Recht zu haben. Irgendwo die Straße runter spielte jemand auf der Gitarre ein Lied von Reinhard May. "Dann mach’s gut." Das Lied über den Tod eines Sohnes und Erinnerung. Sehnsucht nach einem neuen Geist. Ich musste weinen. Ich muss immer weinen, wenn ich Reinhard May höre. Und es war in Ordnung, obwohl ich sonst nicht gerne vor Frau Lorentz weine.

Ich weine vor niemanden so sehr gerne. In mir ist dieser Tränensee bei dem ich nicht weiß, ob ich ihn jemals leerweinen kann. Oder ob ich andere in seinen Fluten ertränke. Frau Lorentz tröstet sonst immer so vehement, dass ich nachher Kopfweh habe. An diesem Mittwoch im Frühsommer nicht. Da nahm sie meine Hand in ihre. Und wir schwiegen. Es war gegen 15.30 Uhr. Ich wusste nicht, dass Gott an diesem Tag die Welt regierte. Woher soll man so etwas auch wissen. Ich hätte eigentlich erwartet, dass Fanfaren, Trompeten dazu gehören. Im Ganzen mehr Tschingderassabum. Immerhin spreche ich von Gott – himmlischer Herrscher und König aller Welt.

Gott aber legte einen dezenten Auftritt hin. Ich glaube an diesem Mittwoch gegen 15.30 Uhr saß er irgendwo in einem Hinterhof, spielte ein wenig Reinhard May auf der Gitarre. Er vergriff sich immer beim G-Moll, dann schepperte die eine Seite. Aber wer spielt auch Gitarre wie Reinhard May? Gott weinte ein bisschen, weil die Texte so schön waren. Und weil da ein Vater seinen Sohn verloren hat. Und vielleicht auch wegen anderer Sachen. So war das an dem Tag, als Gott die Welt regierte. An diesem Mittwoch im Frühsommer.

An dem Tag, als ich Gottes Regentschaft fast nicht bemerkt hätte.

Autor/Autorin

  • Ragna Miller

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