Die Morgenandacht Das Plakat vor der Kita
Standdatum: 15. Juni 2022.
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Eines Morgens hing es da. An der Plakatwand vor der Kita. Werbung für die Bundeswehr. "Die Profis der Sicherheit." Konnte ich lesen. "Deine Notfallversorgung macht Deutschland sicherer." Das stand in fetten Lettern. "Mach, was wirklich zählt." Die kleine Botschaft auf rotem Grund. Auf dem Bild eine Ärztin im Flecktarn.
Ich war baff. Zuckte innerlich zurück. Bundeswehrwerbung vor der Kita. Und das in Zeiten eines Krieges in Europa. Meine friedensbewegte, antimilitaristische Vergangenheit machte in meinem Kopf sofort eine Demo. Wie sie es so oft schon getan hat in den letzten Wochen. Ich schaue Nachrichten und in meinem Kopf findet eine Demo statt. Und eine Gegendemo gegen die Demo. Bundeswehrwerbung vor der Kita – es scheint mir zu früh, dass Drei- bis Sechsjährige sich für eine Karriere bei der Bundeswehr entscheiden. Hier bei uns wissen sie, Gott sei Dank, nicht, was Krieg ist. Können nicht einschätzen, was Sicherheit bedeutet. Ich stand häufig vor diesem Plakat vor der Kita. In meinem Kopf tobten die Demos und Gegendemos. Eigentlich kann ich bis heute nicht einschätzen, was Krieg ist. Vermag nicht zu beurteilen, was zur Sicherheit führt. Und was die Unsicherheit der Welt befeuert.
Doch ich finde es schräg, dass auf der Plakatwand eine Ärztin im Flecktarn zu sehen ist. Keine Waffen. Keine Panzer. Kein Kampfeinsatz an der Front. Wir sehen eine Ärztin mit einem Infusionsbeutel. Die weiche Seite des Krieges. Könnte man anmerken. Aber auch die Ärztin ist dafür verantwortlich, dass das Töten weitergeht.
Was? In meinem Kopf schreit die Gegendemo laut auf. Ruft: Waffen sind nötig, wenn ein Land von einem anderen Land überfallen wird. Und die Stimmen haben irgendwie recht. Doch die friedensbewegte Demo singt in meinem Kopf das Lied „Europa hatte zweimal Krieg, der dritte wird der letzte sein. Die Bombe, die kein Leben schont, Maschinen nur und Stahlbeton…“ und ich frage mich, ob es Sicherheit geben kann, die mit Waffen erkämpft wird. Oder ob das Konzept einfach nicht funktioniert.
Werbung für die Bundeswehr vor der Kita. An jedem Morgen die friedensethische Grundsatzdebatte in meinem Kopf. Keine Lösung in Sicht. Irgendwann hing dann ein anderes Plakat vor der Kita. Nach der Bundeswehr warb nun eine Fitnesskette um Aufmerksamkeit. "Einfach gut aussehen". Stand darunter. Auf dem Bild ein extrem muskulöser Mann. Eine absurd große Hantel. "Einfach gut aussehen." Was für ein dumme, körperbetonte, männlichkeitsverliebte Werbung. Und doch war ich froh, dass die Bundeswehrwerbung vor der Kita weg war.